03_2023 Amyloid-Eiweiß in den Gefäßwänden: die zerebrale Amyloidangiopathie (CAA)

Die Ablagerung von Amyloid-Eiweiß im Gehirn ist von der Alzheimer-Erkrankung bekannt. Amyloid-Ablagerungen zwischen den Nervenzellen können in Kombination mit Ablagerungen des Tau-Eiweißes eine Alzheimer-Demenz auslösen. Weniger bekannt ist, dass sich Amyloid-Ablagerungen im Alter auch in den Hirngefäßen finden und so wichtige Funktionen der Gefäße stören. Diese Erkrankung wird zerebrale Amyloidangiopathie (CAA) genannt. Die CAA ist ein Forschungsschwerpunkt am Institut für Schlaganfall- und Demenzforschung. EinBlickDemenz hat dort Klinikerinnen und Wissenschaftlerinnen zum Thema befragt.

Frau Dr. Maria Kaffe ist Assistenzärztin für Neurologie, diagnostiziert die Patienten und betreut sie im Rahmen von Studien. Frau Dr. Anna Dewenter ist Postdoktorandin und forscht zum Thema CAA. Frau PD Dr. med. Anna Kopczak ist als Oberärztin am Institut für Schlaganfall- und Demenzforschung sowohl klinisch als auch wissenschaftlich mit dem Thema CAA befasst.

1.    Was ist die zerebrale Amyloidangiopathie und wodurch wird diese ausgelöst?

Die zerebrale Amyloidangiopathie, abgekürzt CAA (aus dem Englischen „cerebral“=zerebral; das Großhirn betreffend), ist eine Erkrankung der kleinen und mittelgroßen Gefäße des Gehirns. CAA wird durch die Ablagerung von einem Eiweiß, dem sogenannten Amyloid, in den Wänden der Hirngefäße ausgelöst. Diese Eiweißablagerungen führen dazu, dass die Hirngefäße verletzlicher und weniger elastisch werden. Das kann sowohl zu Hirnblutungen, als auch zu Durchblutungsstörungen des Gehirns, also zu Schlaganfällen, führen. 

2.    Wie häufig ist die CAA und tritt sie zusammen mit Alzheimer auf?

Die Häufigkeit einer CAA nimmt mit dem Alter zu. Während eine CAA selten im Alter von unter 60 Jahren auftritt, ist davon auszugehen, dass 2,3% der Menschen im Alter von 65 bis 74 Jahren solche Ablagerungen von Amyloid in den Hirngefäßen haben. Im Alter von 75 bis 84 Jahren sind es bereits 8%, und im Alter von über 85 Jahren sogar 12,1%. Im Alter um 90 Jahre könnte die Häufigkeit weiter bis auf 36% steigen [1].
Bei Patienten mit einer Demenz ist die CAA viel häufiger zu finden. Ca. 60% der Demenz-Patienten haben auch begleitend Amyloidablagerungen in den Hirngefäßen [2].
Bei Patienten mit einer Alzheimer-Demenz ist in über 80 % der Fälle auch eine CAA nachweisbar [3]. Dennoch handelt es sich um zwei unterschiedliche Krankheitsbilder. 

3.    Was sind Symptome der zerebralen Amyloidangiopathie?

Das häufigste Symptom einer CAA sind Einblutungen in einen Gehirnlappen, die dann Beschwerden verursachen. Welche Beschwerden dies genau sind, hängt von der betroffenen Gehirnregion und von der Größe der Blutung ab. Beispielsweise können dies Lähmungen, Ausfälle im Gesichtsfeld oder Bewusstseinsstörungen sein.
Kleine Mikroblutungen finden sich bei der CAA häufig in der Bildgebung, allerdings verursachen diese in der Regel keine Beschwerden. In der Ambulanz sehen wir auch Patienten, die von transient fokal-neurologischen Episoden (TFNEs) berichten. Diese Episoden sind meistens weniger als 30 Minuten andauernde Störungen der Wahrnehmung, Bewegung oder Sprache, die plötzlich auftreten und auch wieder von selbst vergehen. 

Bei einigen Patienten wird die Verdachtsdiagnose erst gestellt, wenn die Patienten erste Zeichen einer kognitiven Störung, also Probleme mit dem Gedächtnis und der Orientierung, aufweisen. Eine CAA kann aber auch ein Zufallsbefund in der Bildgebung des Gehirns sein. Vermutlich haben mehr als 30% der Älteren über 70 Jahre mit CAA keine Symptome.

4.    Wie wird die Diagnose gestellt?

Im klinischen Alltag werden international geltende Kriterien für die Diagnose einer CAA verwendet, die sich auf die Symptome des Patienten und eine MRT-Untersuchung des Kopfes stützen. 

Charakteristisch für eine CAA sind kleine und kleinste Blutungen im Gehirn (Mikroblutungen) in der Hirnrinde – welche sich im MRT als kleine, runde bis ovale „Punkte“ kennzeichnen – sowie Ablagerungen in Form von Eisen (Hämosiderin) an der Oberfläche des Gehirns. Diese MRT-Merkmale lassen sich mit bestimmten blutsensitiven MRT-Sequenzen sichtbar machen, die Radiologen und erfahrene Neurologen erkennen können. Die CAA gehört zu den zerebralen Mikroangiopathien, dem Überbegriff von Erkrankungen der kleinen Blutgefäße im Gehirn. Dafür typische Veränderungen sind neben den Blutungen ebenfalls im MRT erkennbar.  

Wenn eine kleine Probe vom Hirngewebe unter dem Mikroskop untersucht wird, dann können die Amyloid-Ablagerungen in den Gefäßwänden identifiziert werden. Eine solche Untersuchung ist jedoch sehr invasiv, da dafür eine Hirnbiopsie benötigt wird. Daher wird dieses Verfahren in der klinischen Routine nicht angewendet.

5.    Ist die CAA erblich bedingt?

Die Mehrheit der Patienten zeigt die ersten Erscheinungen der Krankheit in einem höheren Lebensalter, ohne dass eine familiäre Häufung besteht (sporadische Form der CAA). Sehr seltene erbliche Formen von CAA wurden in Familien vor allem in den Niederlanden, Island und Belgien beschrieben (circa 300-400 Patienten), die durch Mutationen in bestimmten Genen verursacht werden. Erste Symptome zeigen sich bei der familiären Form der CAA meist bereits im jüngeren Erwachsenenalter (< 55 Jahre). Die familiäre Form der CAA weist einen schwereren Verlauf im Vergleich zur sporadischen Form auf.

6.    Gibt es Risikofaktoren, die das Auftreten der CAA begünstigen?

Die „klassischen“ Gefäßrisikofaktoren, insbesondere der Bluthochdruck (01_2023 „Bluthochdruck und Demenz"), schädigen Blutgefäße im Gehirn. Alles, was die Gefäße „schützt“, wirkt vorbeugend. Dazu zählen gut eingestellte Blutdruck-, Cholesterin- und Blutzucker-Werte. Regelmäßige körperliche Aktivität, das heißt mindestens 3-mal pro Woche für mindestens 30 Minuten Ausdauersport (aerobes Training), ausgewogene mediterrane Ernährung und Nikotin- und Alkohol-Abstinenz reduzieren zusätzlich das Risiko von Komplikationen im Rahmen einer CAA. 

7.    Wie ist die Prognose bei CAA?

Die Prognose bei CAA ist sehr variabel. Dies hängt auch davon ab, ob es zu Blutungen kommt, wie groß die Blutungen sind und welche bleibenden Defizite daraus resultieren. Prinzipiell lässt sich jedoch sagen, dass die meisten Patienten mit der Erkrankung viele Jahre leben, und ein Teil von ihnen entwickelt im Verlauf ein demenzielles Syndrom durch den Abbau kognitiver Funktionen.

8.    Was sind aktuelle Behandlungsmöglichkeiten?

Eine ursächliche Therapie der CAA steht aktuell nicht zur Verfügung. Bei der Behandlung der CAA-Patienten wird angestrebt, die oben genannten Gefäßrisikofaktoren optimal einzustellen. 
Falls die Alzheimer-Krankheit die CAA begleitet, kann diese mit Antidementiva (Acetylcholinesterase-Hemmern oder Memantin) behandelt werden. Des Weiteren werden bei persistierenden und belastenden TFNEs, die die Lebensqualität der Patienten deutlich reduzieren, häufig Mittel eingesetzt, die sonst zur Behandlung von Epilepsien dienen.

9.    Gibt es Empfehlungen für Patienten mit CAA?

Wir ermutigen vorerst immer die Patienten ihr Leben genauso wie vor der Diagnose weiterzuführen. Die Patienten sollen keine Angst vor der Diagnose haben, die hemmend auf die Lebensführung wirken kann.
Die Einnahme von blutverdünnenden Medikamenten sollte sehr kritisch überprüft und möglichst vermieden werden, da dies das Risiko für Hirnblutungen erhöht.
Weitere konkrete Empfehlungen beziehen sich auf einen gesunden Lebensstil, wobei eine gesunde Ernährung, körperliche Aktivität, Verzicht auf Rauchen und Alkohol eine wichtige Rolle spielen. Erschütterungen des Kopfes z.B. durch Kopfbälle beim Fußball sollten vermieden werden.

10.    Gibt es einen Zusammenhang zwischen der CAA und einer Amyloidose eines anderen Organs?

Bei der CAA lagert sich Amyloid ausschließlich in den Gefäßwänden des Gehirns ab. Auch wenn die Namen ähnlich klingen, gibt es keinen Zusammenhang mit der systemischen Amyloidose. Bei der systemischen Amyloidose treten Amyloid-Ablagerungen in verschiedenen Organen außerhalb des zentralen Nervensystems auf, wie zum Beispiel Herz, Nieren, Leber, Milz, peripheren Nerven und Darm. Zudem unterscheidet sich das Amyloid-Eiweiß bei beiden Krankheiten etwas voneinander. Daher müssen diese zwei Krankheitsbilder getrennt voneinander betrachtet werden.

11.    Das Amyloid-Eiweiß spielt auch bei der Alzheimer-Krankheit eine wichtige Rolle. Was bedeuten jüngste Entwicklungen im Bereich der Alzheimer-Medikamente für Behandlungsmöglichkeiten bei der CAA? Können diese auch hier eingesetzt werden?

Neue Medikamente, die zurzeit in klinischen Studien bei der Alzheimer-Krankheit überprüft werden, richten sich als Antikörper gegen Amyloid-Ablagerungen. Es gibt derzeit keine Hinweise darauf, dass sich diese Antikörper-Medikamente auch bei einer CAA positiv auswirken und die Amyloid-Ablagerungen in den Wänden der Hirngefäße reduzieren.
Alzheimer-Patienten mit einer zusätzlichen CAA sind von diesen Studien bisher ausgeschlossen worden, da bei CAA das Auftreten einer seltenen, aber lebensbedrohlichen Nebenwirkung dieser Medikamente erhöht ist. Hierbei handelt es sich um CAA-ähnliche Hirnblutungen und Schwellungen, den sogenannten Amyloid-Related-Imaging-Abnormalities (ARIA), welche mittels MRT beobachtet werden (02_2022 - "Neue Hoffnung in der Alzheimer-Therapie - Lecanemab"). Bevor diese Medikamente bei CAA eingesetzt werden könnten, muss die Sicherheit einer solchen Therapie gewährleistet werden. Somit wird derzeit nicht empfohlen, diese Antikörper-Medikamente gegen Amyloid-Ablagerungen bei CAA einzusetzen.


Referenzen:
1. Greenberg SM, Vonsattel JP. Diagnosis of cerebral amyloid angiopathy. Sensitivity and specificity of cortical biopsy. Stroke. 1997;28(7):1418.
2. Keage HA, Carare RO, Friedland RP, Ince PG, Love S, Nicoll JA, Wharton SB, Weller RO, Brayne C. Population studies of sporadic cerebral amyloid angiopathy and dementia: a systematic review. BMC Neurol. 2009;9:3.
3. Jellinger KA. Alzheimer disease and cerebrovascular pathology: an update. J Neural Transm (Vienna). 2002;109(5-6):813.

 

Frau Dr. Maria Kaffe,  Frau Dr. Anna Dewenter und Frau Dr. Anna Kopczak wir danken Ihnen für das Interview und Ihre Zeit.

Das Interview führte Dr. Katharina Bürger. 
 

Zur Person Frau Dr. Maria Kaffe:

Frau Dr. Maria Kaffe (*1982) studierte Medizin in ihrer Heimat, in Griechenland. Mit einem Stipendium der Athener Akademie hat sie einen Master in Neurowissenschaften an dem University College London erfolgreich absolviert.
Ihre Promotion in der Neurogenetik über das Restless Legs Syndrom schloss sie an der Technischen Universität München im Rahmen des PhD Programms Medical Life Science and Technology ab. Die Ausbildung zur Fachärztin für Neurologie begann sie an der Schön Klinik München Schwabing, im Anschluss wechselte sie an das Schwarzwald-Baar Klinikum (Akademisches Lehrkrankenhaus der Universität Freiburg). Seit 2022 ist sie an dem Institut für Schlaganfall- und Demenzforschung tätig, um sich nach langjährigen Erfahrung in der Grundlagenforschung intensiver der klinischen Forschung zu widmen. So arbeitet sie als Assistenzärztin für Neurologie in der Ambulanz des Instituts, wo sie als Ärztin Patientenversorgung und klinische Forschung miteinander verbindet. Somit ist Frau Dr. Kaffe als Studienärztin an mehreren internationalen Studien zum Schlaganfall und zur Demenz beteiligt, in denen sie u.a. den Zusammenhang der zerebralen Amyloidangiopathie und Demenz untersucht.

Zur Person Frau Dr. Anna Dewenter:

Frau Dr. Anna Dewenter studierte Kognitionswissenschaften an der Universität Osnabrück und Neurowissenschaften am Donders Institute for Brain, Cognition and Behaviour in den Niederlanden. Innerhalb der Graduiertenschule für Systemische Neurowissenschaften des Clusters der Exzellenzinitiative in Bayern schloss sie im Dezember 2022 ihre Promotion zum Thema Biomarker der zerebralen Mikroangiopathie ab. Bei der zerebralen Mikroangiopathie handelt es sich um Erkrankungen der kleinen Hirngefäße, einer häufigen Komorbidität der Alzheimer-Krankheit. Seither setzt sie ihre erfolgreiche Forschungslinie als Postdoktorandin am Institut für Schlaganfall- und Demenzforschung fort. Dort betreut sie unter anderem Bildgebungsstudien zur zerebralen Amyloidangiopathie (CAA) und wertet diese wissenschaftlich zur Veröffentlichung in der internationalen Fachpresse aus.

Zur Person Frau Dr. Anna Kopczak:

Frau PD Dr. med. Anna Kopczak (*1981) studierte Medizin an der Universität Duisburg-Essen und an der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München. Ihre Promotion in der Physiologischen Chemie schloss sie mit Bestnote ab. Die Ausbildung zur Fachärztin für Neurologie begann sie an der Schön Klinik in Bad Aibling, wo sie fundierte klinische Kenntnisse in der Patientenversorgung erwarb und im Rettungsdienst tätig war. Im Anschluss wechselte sie an das Max-Planck-Institut für Psychiatrie nach München, um die Ausbildung zur Fachärztin abzuschließen und sich intensiver der klinischen Forschung zu widmen. Seit 2016 arbeitet sie als Fachärztin für Neurologie am Institut für Schlaganfall- und Demenzforschung, wo sie seit Mai 2023 als Oberärztin für die Schlaganfall-Ambulanz zuständig ist. Frau PD Dr. med. Kopczak verbindet erfolgreich als Ärztin Patientenversorgung und klinische Forschung miteinander. So ist sie als erfahrene Studienärztin auch an Studien zur zerebralen Amyloidangiopathie (CAA) beteiligt.

Wir wollen die für Sie wichtigsten Informationen und Services bestmöglich bereitstellen. Um uns dies zu ermöglichen, benötigen wir Ihr Einverständnis, dass wir mit Hilfe des Web-Analyse-Tool »Google Analytics« eine anonymisierte Auswertung Ihres Besuchs zu statistischen Zwecken erstellen und auswerten dürfen. Dafür verwenden wir unterschiedliche Cookies. Sie können die Nutzung dieser per Klick auf „Konfigurieren“ einstellen, andernfalls speichern wir die aktuellen Einstellungen für 12 Monate.